Thorsten Knape, Tagesaktueller Reporter, WDR Bielefeld

10Jul07

thorsten knape_wdr siegen

Kommen Sie ehr aus dem Fernseh- oder Hörfunkbereich?

Ich bin absoluter Fernsehmann. Ich hab meine Ausbildung beim Fernsehen gemacht, habe sieben Jahre festangestellt bei RTL gearbeitet und komplett nur Fernsehen gemacht. Mein erster Berührungspunkt mit Radio war, als ich vor gut 10 Jahren hier in Bielefeld als freier Author angefangen habe. Und Bielefeld war je eines der ersten Studios, das Bimedialität überhaupt gelebt hat, deshalb war ich hier auch von Anfang an gefordert, Radio auch mitmachen zu müssen.

Wie hat sich das entwickelt? Hospitanz, Ausprobieren oder Schulungen?

Wir sind natürlich Beschult worden, aber die meiste Erfahrung hat man eigentlich durchs Machen gesammelt. Also dazu muss man sagen, das mein Aufgabenbereich zweigeteilt ist. Einmal sitze ich auf dem SNG Wagen oder auf dem Reportagewagen, für Live- oder Live on Tape Berichterstattung, und wenn ich das nicht tue, bin ich im tagesaktuellen Geschäft. Will heißen, ich werde für das Fernsehen rausgeschickt, mit einem Kamerateam, zu einer Nachricht, zu einem Ereignis, zu einer Situation und im Laufe des Tages kommen von den verschiedenen Sendeplätzen die Anfragen rein. Da ich mit einem Team unterwegs bin kommen natürlich zunächst die Anfragen von den verschiedenen Fernsehsendeplätzen. Das kann mit den ersten WDR-aktuell Sendungen am Mittag anfangen und dann am Nachmittag die aktuelle Stunde, dann die Lokalzeit und diese Anforderungen muss man erfüllen. Darüber hinaus bekommt man natürlich auch viele Anrufe von den Radioplanern. entweder aus dem Lokalstudio, also hier aus Bielefeld, die ja jede Stunde eine Radiosendung zu machen haben. Darüber hinaus auch von den verschiedenen Wellen, also WDR2, WDR5 und selten auch von EINS LIVE und dann muss man diese Anforderungen auch erfüllen. Und dann lernt man glaube ich im Vorwärtsgehen.

Sind das dann hauptsächlich Interviews, die sie da liefern, oder sind das ganze Beiträge?

Wenn wir über Bimedialität sprechen, dann kann ich nur über Bimedialität im tagesaktuellen Nachrichtengeschäft sprechen. In unserem Geschäft sieht man glaube ich recht deutlich die Grenzen der Bimedialität. Wenn ich an einem Thema dran bin fürs Fernsehen, was meine ureigene Aufgabe ist, dann ist es natürlich möglich und es macht auch Sinn, das Radio über Tag mit den entsprechenden neuen und immer wieder zu erneuernden Informationen zu versorgen. Das heißt ich bin irgendwo draußen, wo ein Streik oder eine größere Lage ist, eine Polizeisituation oder so was. Natürlich bin ich dann in der Lage, neben dem Produzieren von Fernsehbeiträgen auch jede Stunde Radiomeldungen abzusetzen. Im Verhältnis zu einer Stunde hat sich folgendes verändert. Das wird dann meistens so gemacht, das ich das dann telefonisch weitergebe. Ich schreibe meine Texte also vor Ort, gebe diese dann Telefonisch weiter und die werden dann hier noch bearbeitet oder sogar noch gesprochen, weil es ja nur Telefonton ist. Das ist sinnvoll und auch fast jederzeit möglich. Wenn es aber ein so große Situation ist, das die Radiowellen ihrerseits gebaute Beiträge haben wollen, dann kommt der Autor vor Ort, der ja eigentlich fürs Fernsehen arbeiten soll, irgendwann an seine Grenzen. Ich kann einfach nicht vor Ort weg, um in einem Studio einen gebauten Beitrag zu machen. Das geht dann nicht. An der Stelle muss dann ein Radiokollege oder ein zweiter Kollege mit raus und diese Anforderungen mit abarbeiten, die vielleicht zwischen Rhein und Weser oder das Morgenmagazin haben wollen. Etwas anderes ist es, wenn die Radiokollegen eine Reportereinschätzung vor Ort haben wollen. Wenn also ein Ü-Wagen da ist, nötigenfalls auch per Telefon und eine erste Einschätzung über eine große Lage gegeben werden muss. Das kann man natürlich im Kollegengespräch von vor Ort machen. Gebaute Beiträge, da wird es dann schwierig. Da muss dann meistens ein zweiter Kollege mit ran.

Wie läuft die Kommunikation zwischen den einzelnen Medien ab?

Schaltstelle ist jedes Mal der RvD Fernsehen, beziehungsweise der RvD Radio. Diejenigen, die an diesen Positionen sitzen, wissen wer an welchem Thema dran ist, wer im Moment aktuell vor Ort ist. Also Autor vor Ort bekommt man eine Anfrage, beispielsweise von Radio RvD und die sagen: „Wir brauchen eine Reporterschalte um 13:30h ins Mittagsmagazin hinein, bist du in der Lage das zu leisten?“ Wenn man das machen kann, dann wird die Sache abgewickelt, immer mit der Relaisstation RvD Radio. Wenn man nicht in der Lage ist das zu tun, dann muss eben ein zweiter Kollege mit raus. Das ist dann die Grenze von Bimedialität.

Sie bauen keine kompletten Beiträge fürs Radio, sie liefern nur zu…

Das hat alles was mit Zeit zu tun. Lasst uns ein konkretes Beispiel nehmen. Wir haben hier im Bereich den größten Europäischen Möbelladen, der in sehr starke Turbulenzen gekommen ist. Das ist natürlich ein Thema. Ein Thema erstens für uns als Lokalfernsehen, aber natürlich auch überregional. Da fahr ich dann mit einer SNG raus und da gibt es dann die Möglichkeit mit einem Betriebsrat zu sprechen, kurz bevor eine wichtige Sitzung anfängt. wenn diese Sache, diese Lage, diese Situation sich über den ganzen Tag hinzieht, dann kann ich vor Ort nicht weg. Dann kann man höchstens Material überspielen. Bimedialität profitiert davon, das ich O-Töne mit Betriebsräten fürs Fernsehen mache, diese O-Töne dann hier ins Studio geschickt werden, und hier kann dann auch ein Radiokollege davon profitieren und sich diesen O-Ton senkeln, so wie wir sagen, also fürs Radio passend machen und darum dann seinen Bericht bauen. Er kann auch mit mir telefonieren und sich die momentane Situation schildern lassen um für seine Sendung ein Stück zu machen. Wenn ich aber in einer Situation bin, die um 12:00h zu ende istI und es läßt sich zeitlich darstellen, dann ist es natürlich vernünftig, das ein Kollege neben der Fernsehberichterstattung auch die Radioberichterstattung macht. Ich bin durchaus in der Lage ein Stück fürs Radio zu machen, wenn es die Zeit erlaubt. Bei der aktuellen Berichterstattung ist es einzig und allein eine Frage der Zeit, nicht des Könnens und des Wollens.

Sie könnten also inhaltlich und technisch auch einen Beitrag fürs Radio bauen, es ist aber aus Zeitgründen oft nicht möglich.

Ja, genau. Wenn es zum Beispiel so ist, das man an einem Thema dran ist und es erst am nächsten Tag für eine Sendung geplant ist, dann spricht natürlich nichts dagegen, das man mit diesem Material am nächsten Tag sowohl im Radio, als auch im Fernsehen auf Sendung geht. Man hat Recherchiert, man hat alle Informationen, man hat O-Töne, die man natürlich auch fürs Radio wunderbar benutzen kann und dann kann man natürlich im Radiostudio auch einen Betrag darüber machen. Wenn man die Zeit dazu hat ist das kein Problem. Nur in der tagesaktuellen Berichterstattung bleibt das große Problem, habe ich genügend Zeit alle Anforderungen die Fernsehen haben will zu erfüllen und kann ich darüber hinaus noch Zeit Radio zu machen. wenn das geht, machen wir das, häufig ist das aber rein aus Zeitgründen nicht machbar.

Wo ist Bimedialität dann besser einsetzbar?

Ich nehme das ja war, das viele Kollegen hier das ja intensiv machen. Eine ganze Menge Kollegen, die nicht im tagesaktuellen Geschäft arbeiten, sondern in dem Bereich, wo sie zwei drei Tage recherchieren, dann einen Drehtermin vereinbaren. Gleichzeitig mit dem Recherchieren machen sie auch schon einen Themenvorschlag fürs Radio und die machen das dann auch. Da profitiert man dann natürlich davon, das man einmal recherchiert und dann sowohl für Radio, als auch für Fernsehen produziert. Nur da das nicht mein Aufgabengebiet ist, diese Langfristsachen, bin ich da dann der falsche Ansprechpartner. Aber der Kollege Harte, den ihr gleich bekommen werdet, der macht das intensiver. Ich kann übers Tagesaktuelle berichten und dann logischerweise ehr darüber wo die Grenzen der Bimedialität im Tagesgeschäft liegen. Und die liegen ganz eindeutig nicht im Wollen, nicht im können, sondern die liegen in der Zeit. Wieviel Zeit habe ich? Welche Anforderungen habe ich zu erfüllen? Was will das Fernsehen? Bleibt genug Zeit um auch Radioanforderungen zu erfüllen?

Wie ist der Informationsfluss vom Radio zum Fernsehen?

Das ist hier ziemlich gut gelöst. wenn man sich das alleine räumlich anschaut, dann sieht man das Radio- und Fernseh-RvD sehr nah beieinander sitzen. Sie sind nur durch eine Glastüre getrennt, die aber immer offen ist. Wenn ich draußen bin muss ich nicht Pontius und Pilatus abtelefonieren, sondern es reicht meinem RvD, der mir den Auftrag gegeben hat, zu sagen wie der Stand der Dinge ist. Radio-RvD und Fernseh-RvD schließen sich dann kurz. Dann kann es durchaus so sein, das ich dem Fernseh-RvD eine Information gegeben habe, das sich vor Ort gleich etwas tut und das ich dann eine halbe Stunde später vom Radio-RvD angerufen werde, der sagt: „Da brauchen wir auch was von.“ Die Wege sind sehr kurz und das funktioniert auch. Anders wäre es auch nicht möglich. Ich kann nicht vor Ort 18 Wellen, fünf Regionalprogramme und noch meine RvD anrufen. Da machen die hier schon einen guten Job. Das Haus funktioniert sehr gut bimedial, mittlerweile ja schon trimedial, wir haben das Internet ja auch noch mit drinne, die ja auch Anforderungen haben. Das ist schon gut wie das hier koordiniert wird, das Radio- und Fernseh-RvD direkt nebeneinander sitzen,miteinander Sprechen, vom Anderen wissen wo dessen Leute gerade sind und das funktioniert gut. Ich kann draußen nur einen Ansprechpartner gebrauchen. Es kommen dann eh noch welche dazu. Wenn ich ein Stück für die Lokalzeit mache, dann muss ich natürlich irgendwann mal – meist so gegen 17:00h – auch mal mit den Kollegen der Aktuellen Stunde in Düsseldorf telefonieren und ihnen schildern, wie sich die Situation vor Ort entwickelt hat, ob das auch was für sie wäre oder nicht. Das meiste geht über den Schreibtisch vom RvD, aber teilweise wollen die Kollegen direkt mit einem sprechen und das ist auch in Ordnung.

Schreiben sie fürs Internet Kurzzusammenfassungen zu den Situationen bei denen sie vor Ort sind?

Mit dem Internet als dritter Anforderung ist es im Prinzip genauso, wie ich das für die Bimedialität schon erzählt habe. Ein schwieriges Wort – schwieriger auszusprechen, als es in die Tatsache umzusetzten. Die rufen auch an, die Rufen einen häufig auch selber an und fragen, ob man in der Lage ist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Seite zu machen. Meistens muss man nein sagen. Das ist kein böser Wille, sondern beim tagesaktuellen Geschäft ist das immer die Zeit. In der Praxis hat es sich so entwickelt, das wenn ein Kollege von Internet anruft, man sich dann die Zeit nimmt, intensiv zu schildern was draußen los ist und er dann mit meinen Informationen seinen Text fürs Internet produziert. es kann auch so sein, das wenn ich dann reinkomme mit meinem fürs Fernsehen gedrehten Material, das dann einige Standbilder davon benutzt werden um das Internet mit entsprechend aktuellen Bildern zu versorgen. aber in der Summe ist es so, das man als Fernsehmensch draußen sehr viel mit Fernsehen zu tun hat, man bemüht sich so viele Radioanfragen wie möglich zu erfüllen, man bemüht sich auch die eine oder andere Anfrage des Internets zu erfüllen, aber am Ende bleibt die Frage wie viel Zeit habe ich für das alles.

Wie ist es hier mit der Bezahlung, wenn sie ein Thema recherchieren, aber mehrere Medien damit bedienen? Werden sie dann zu jeweils 100% bezahlt?

Ob das 100% sind, das weiß ich nicht. Im Prinzip werden Freie Autoren hier nach Stücken bezahlt. Das heißt, wenn ich 2‘30‘‘ fürs Fernsehen produziere, erde ich auch für 2‘30‘‘ bezahlt. Wenn ich 1‘30‘‘ fürs Radio produziere, dann bekomme ich dafür auch das entsprechende Honorar. wenn es sich aber um ein und das selbe Thema handelt, dann ist es durchaus üblich, das sogenannte Zweit- oder Drittfassungen honoriert werden, die dann vom Honorar etwas geringer sind.

Weil auch der Rechercheaufwand nicht mehr da ist…

Der Rechercheaufwand, der Zeitaufwand. Wenn ich für die Lokalzeit um 19:30 unterwegs bin und dann am ende einen 2‘30‘‘er oder 3‘30‘‘er produziere und aus diesem Material für die Nachrichtensendung um 18:00h noch eine kleine NIF schneide, dann wird diese NIF als Zweitfassung honoriert, denn man hat eh den ganzen Tag an diesem Thema gearbeitet. Würde ich aber nur für eine NIF rausgeschickt, mit Recherche, Dreh, Text und Schnitt, dann würde diese NIF höher honoriert als es bei einer Zweitfassung wäre.